Certamen, der Wettstreit – die Teilnahme am Certamen Carolinum im Jahr 2013 hat diese Vokabel mit Leben gefüllt. Angetreten bin ich in Aachen damals mit einem Vortrag, der den Titel „Wahlkampftipps made by Cicero“ trug und sich am Beispiel der Bundestagswahl 2013 mit der Aktualität des commentariolum petitionis des Quintus Tullius Cicero befasste. Dieses Werk hatte er für seinen bekannten Bruder Marcus verfasst, als dieser 64 v. Chr. für das Amt des Konsuls in Rom kandidierte. Dass die dort zu findenden Ratschläge auch noch heute nicht bloß theoretisch nachvollziehbar sind, sondern tatsächlich noch praktisch umgesetzt werden, wollte ich in meinem Vortrag anhand einer Auswahl von Wahlplakaten aufzeigen.

Neben dem konzentrierten und interessanten fachlichen Austausch erinnere ich mich vor allem auch an die entspannte Atmosphäre, die tolle Gemeinschaft und Betreuung der Teilnehmer, die zusammengenommen das Certamen zu einem Erlebnis gemacht haben.

Ziemlich genau ein Jahr später, im Oktober 2014, begann ich gefördert von der Studienstiftung des deutschen Volkes mein Jurastudium an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Und obwohl es kein Lateinstudium war, konnte ich doch glücklicherweise in erheblichem Maße von den Grundkompetenzen zehren, die ich durch das Erlernen der lateinischen Sprache über die Jahre hinweg erworben hatte. Angefangen bei den vielen lateinischen Begriffen und Redewendungen in der Rechtswissenschaft über das Bewusstsein für grammatikalische Besonderheiten auch der deutschen Sprache bis hin zum Modul Verfassungsgeschichte, in dem mir schon Einiges aus dem Lateinunterricht bekannt vorkam. Sogar in meinem Begleitstudiengang zum Anglo-Amerikanischen Recht tauchten viele lateinische Wörter und Phrasen auf, die in jenem Rechtskreis eingesetzt werden, um bestimmte Phänomene einprägsam zu beschreiben. Dass Cicero einem darüber hinaus auch in juristischen Rhetorikseminare begegnet, bedarf fast keiner ausdrücklichen Erwähnung.

Am Ende meines vierten Semesters absolvierte ich ein Praktikum im Deutschen Bundestag, wo ich viele spannende Erfahrungen sammeln konnte. Die interne Parlamentsarbeit lässt sich dabei gewiss unter ganz verschiedenen Gesichtspunkten betrachten. Unter anderem ist mir aber auch aufgefallen, dass Ciceros Wahlkampftipps weiterhin relevant sind und sogar bei der internen Arbeit, zum Beispiel bei Diskussionen im Plenum, fortgesetzt berücksichtigt werden.

Im April 2019 machte ich nun mein erstes Staatsexamen und schloss damit meine Studienzeit ab. In näherer Zukunft werde ich mein Referendariat als Vorbereitung auf das zweite Staatsexamen beginnen und möglicherweise eine Promotion anstreben. Und wie bereits in der Vergangenheit werde ich gerne regelmäßig wieder nach Aachen zurückkehren, um zu sehen, welche neuen vielfältigen und im Prinzip immer noch hoch aktuellen Themen sich ein weiteres Mal bei der Beschäftigung mit der lateinischen Sprache aufgetan haben.

Rückblickend denke ich, dass das Certamen Carolinum neben der inhaltlichen Seite auch in großem Maße überfachliche Kompetenzen schult, indem es seine Teilnehmer schon in vergleichsweise jungem Alter an das wissenschaftliche Arbeiten und die Situation einer Präsentation in freier Rede heranführt. In dieser Hinsicht bin ich auch für andere Certamina im Leben, die ähnliche Anforderungen gestellt haben und stellen werden, gerüstet worden.